Ambivalenz-Interviews

Überlegungen zu Ablauf und Auswertung von Leitfadeninterviews zu Schulbuchzitaten mit Lehrpersonen

Barbara Christophe/Kathrin Zehr

Warum machen wir mit Lehrpersonen Leitfadeninterviews zu Schulbuchzitaten?

Bei der Analyse von Darstellungen des Kalten Krieges in Geschichtsschulbüchern sind wir in den Schulbüchern aus allen Ländern unser Fallbeispielen auf eine Fülle an mehrdeutigen und (vielleicht sogar) deutungsoffenen Textstellen aufmerksam geworden.
Diese Deutungsoffenheit ist aus unserer Sicht nicht verwunderlich. Schließlich müssen ja gerade Geschichtsschulbücher sehr komplexe Zusammenhänge oft stark verkürzt wiedergeben, einfach deshalb, weil sie ja nur eine begrenzte Seitenzahl zur Verfügung haben. Für den Kalten Krieg, so vermuten wir, gilt dies noch einmal in ganz besonderer Weise. Denn die Eindeutigkeiten im politischen Urteil, die es damals gab, existieren heute nicht mehr. Schulbuchautoren stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Dinge einerseits auf den Punkt zu bringen und beim Namen zu nennen, andererseits aber auch offen für unterschiedliche Meinungen zu bleiben.

Wie läuft ein Leitfadeninterview ab?

In den Leitfadeninterviews möchten wir mit Ihnen zunächst kurz darüber sprechen, welche Erfahrungen Sie mit dem Einsatz von Schulbüchern zum Kalten krieg gemacht haben. Was fanden Sie gut und hilfreich? Was hat Sie weniger überzeugt? Welche Themen sollten im Unterricht über den kalten Krieg unbedingt behandelt werden?

Dann legen wir Ihnen vier Zitate aus deutschen, schwedischen und Schweizer Schulbüchern vor, zu denen wir dann vier Typen von Fragen stellen.

  1. In einem ersten Schritt wollen wir mit Ihnen darüber ins Gespräch kommen, wie sie be-stimmte Formulierungen verstehen.
  2. In einem zweiten Schritt wollen wir von ihnen wissen, in welchem Verhältnis ein Textzitat zu dem steht, was sie als bundesrepublikanischen Konsens erleben.
  3. Und in einem dritten Schritt, wollen wir mit ihnen darüber sprechen, was sie persönlich über das in dem jeweiligen Textausschnitt behandelten historischen Ereignis denken.
  4. In einem vierten Schritt, wollen wir mit den Lehrpersonen darüber ins Gespräch kom-men, ob Schülerinnen die ausgewählten Textstellen verstehen können.

Es ist uns wichtig, deutlich zu machen, dass es bei der Beantwortung dieser Fragen kein richtig und kein falsch gibt. Uns kommt es vielmehr darauf an, wie die im Prinzip immer mehrdeutigen und vielleicht sogar deutungsoffenen Texte von unterschiedlichen Lehrpersonen gelesen werden.

Was machen wir mit den Interviews mit Lehrpersonen?

Wir nehmen das Interview auf, fertigen ein Transkript an, anonymisieren alle Namens- und Ortsangaben und stellen das Transkript der Lehrperson zur Verfügung.

Welche Fragen stellen wir bei der Auswertung der Interviews?

Wir tragen vier Fragen an das Material heran:

  1. Wir wollen wissen, welche möglichen Lesarten Lehrpersonen von den Textstellen entwickeln, die wir ihnen vorlegen.
  2. Wir wollen herausfinden, was sie über die Textstellen denken und ob sie glauben, dass die dort entwickelten Erzählungen anschlussfähig an ihre eigenen Erfahrungen und Deutungen sind.
  3. Wir wollen untersuchen, ob die Textstellen aus der Sicht der Lehrpersonen dominante Diskurse in ihren jeweiligen Gesellschaften abbilden.
  4. Und wir wollen schließlich untersuchen, für wie verstehbar die Lehrpersonen die Text-stellen gerade auch aus Schülerperspektive halten.

Welches Erkenntnisinteresse verfolgen wir bei der Auswertung der Interviews?

Bei der Auswertung dieser Interviews verfolgen wir zwei Erkenntnisinteressen: